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Versehrte Landschaften - Workshop in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

Mit der Versehrung von Landschaften und dem aktuellen sowie zukünftigen Umgang mit den landschaftlichen Spuren von Gewalt befassten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehreren europäischen Ländern in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg vom 20.-23.11.2025.

Ausgangspunkt ist die am Jahresende anstehende Übergabe des Steinbruchgeländes des ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg mit den baulichen Zeugnissen, den Spuren der nationalsozialistischen Ausbeutung des Steinbruchs und den Wunden in der Landschaft durch die starke Veränderung der Topografie. In den Beiträgen wurden wissenschaftlich begleitete Strategien zum Umgang mit gewaltbelasteten Orten vorgestellt, Vermittlungskonzepte präsentiert und die Genese von Gedenkorten diskutiert. Prof. Lisa Yamaguchi entwickelte sechs Thesen zu landschaftlichen Bedeutungsebenen und ihrer Ablesbarkeit anhand baulicher und vegetativer Merkmale. Ihren Vortrag begann sie mit einer phänomenbezogenen Betrachtung zur Definition von Kriterien. Durch die Zusammenfügung der vielschichtigen Beobachtungen entsteht ein Narrativ, eine Erzählung, die einen Ort in einen Gedächtnisort überführt. Durch diese Vielschichtigkeit und der Komposition der Bedeutungsebenen lässt sich die „einfache Erklärung“ in einen poetischen Erinnerungsort verwandeln.

Studierende präsentierten ihre Arbeiten in einer Ausstellung

Die Architekturfakultät der OTH Regensburg und die Gedenkstätte in Flossenbürg verbindet seit 2024 eine institutionelle Kooperation, die in mehreren Lehrforschungs- und Forschungsprojekten aktiv gelebt wird. Eine Gruppe ehemaliger und aktiver Studentinnen stellten eine Auswahl der Ergebnisse des Entwurfsprojektes „Treppe der Erinnerung“ im Masterstudiengang Architektur vor. Dr. Timo Saalmann, Leiter der historischen Abteilung der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und Prof. Dr. Elke Nagel führten in einem kurzen Rundgang durch das Steinbruch-Areal. An der Granittreppe, einem der wenigen unverändert überlieferten Zeugnisse der NS-Ausbeutung des Steinbruchs, begann der Bericht der OTH Regensburg mit den bisherigen Ergebnissen bauhistorischen und archäologischen Forschungen. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude der SS-Organisation Deutsche Erd- und Steinwerke präsentierten die Studierenden ihre Arbeiten in einer Ausstellung von Modellen, Zeichnungen und Faltbüchern. Prof. Andreas Emminger eröffnete mit einer kurzen Einführung in die Fragestellung und die Motivation für das architektonisch-gestalterische Lehrforschungsprojekt. Die Entwurfsideen erläuterten die Verfasserinnen Eva Hachenberg B.A., Lena Wimmer M.A, Kristina Ebner M.A. und Dana Cameron M.A. und schlugen mit der Reflexion der jeweiligen gestalterischen Wirkung auf den Ort eine Brücke zum übergeordneten Thema des Workshops. Prof. Andreas Emminger und Prof. Andreas Müsseler übernahmen stellvertretend für Julia Beugler M.A. und Aaron Burkhardt M.A. die Projektvorstellungen.

Große Bandbreite an Ideen

Die Bandbreite der Ideen lässt sich nur schlaglichtartig aufzeigen: eine symbolische Wiederherstellung der vorkonzentrationslagerzeitlichen Topografie durch eine leichte Tragstruktur würde die landschaftliche Wunde zugleich schließen und hervorheben; mit einer Staumauer aus den verbliebenen Bruchsteinen könnte sich, gespeist aus den umliegenden Quellen, ein Stausee bilden, in dessen spiegelnder Oberfläche sich die heutige und vergangene Welt vereinen; zeichenhafte Maschinen könnten die Bruchsteine Stück für Stück abtransportieren und durch die Ablösung der menschenverachtenden Schwerarbeit die Befreiung symbolisieren; einen Erinnerungsort könnten Negativformen der ehemaligen Steinbruchgebäude in einem im unteren Vorfeld aufgetürmten Steinhaufen ausbilden; die arhythmische Sequenz der Treppenstufen könnten ein Pendant als skulpturale architektonische Intervention im Steinbruch erhalten; oder das Gelände könnte als Park, die baulichen Zeugnisse in Szene setzen und den Besucherinnen und Besucher durch gezielte Blickachsen museal-didaktisch die Geschichte des Ortes vor Augen führen.

Junge und alte Augen sehen die gleichen Steine - doch sie sehen nicht dasselbe

Die Unterschiedlichkeit der konzeptionellen Ideen und die Vielfalt der Anknüpfungspunkte an die Geschichte des Ortes lassen den breiten Fächer der potenziellen Denkansätze für die zukünftige Nutzung des Steinbruchgeländes erkennen: junge und alte Augen sehen die gleichen Steine – doch sie sehen nicht dasselbe. Die Studierenden stellten sich der Herausforderung ein Bild vor dem inneren Auge zu erzeugen, das der Geschichte des Ortes und seiner Präsenz im Leben der jungen und nachfolgenden Generationen gerecht wird.

Die Beteiligten: Dana Cameron M.A., Kristina Ebner M.A., Prof. Andreas Emminger, Eva Hachenberg B.A., Prof. Andreas Müsseler, Prof. Dr. Elke Nagel, Lena Wimmer M.A., Prof. Lisa Yamaguchi

 

Präsentation von Dana Cameron Foto: OTH Regensburg