Kann Architektur als Gradmesser für das demokratische Selbstverständnis einer Gesellschaft gelten? Gerade Gebäude im Kontext von Politik, Bildung und Demografie sollen als Manifest der Demokratie gesellschaftliche Haltung sichtbar machen. Auch der Umgang mit Bauten aus undemokratischen Epochen zeigt, wie eine Gesellschaft heute verfasst ist.
In kurzen Impulsvorträgen wurden Gebäude und Siedlungen auf ihre ursprüngliche Intention und ihre Nutzungsgeschichte hin beleuchtet:
Dr. Dorothea Roos stellte die Bundesschule Bernau vor – ein Bauhaus-Bildungsbau, der in sehr unterschiedlichen politischen Systemen jeweils weitergenutzt wurde. Sie zeigte, wie resilient das architektonische Konzept ist und welchen Einfluss es auf seine Nutzerinnen und Nutzer ausübt.
Dr. Regine Hess untersuchte die Wechselwirkung zwischen Architektur und Migration anhand der Siedlungen Waldkraiburg und Eisenhüttenstadt. Als Einstieg nutzte sie das Brandenburger Tor als prägendes nationales Symbol auf Münzen beider deutscher Staaten. Im Vergleich der Siedlungen zeigte sie, wie Architektursprache als nonverbales Kommunikationsmittel gesellschaftlicher Haltung eingesetzt wird.
Prof. Dr. Elke Nagel spannte den Bogen vom nationalsozialistischen Konzentrationslager zum Kanzlerbungalow der jungen Bundesrepublik. Die bewusste Abgrenzung gegenüber der NS-Architektur prägte die Bauten der Bonner Republik: Demut, Offenheit und Transparenz sollten die demokratische Neuorientierung sichtbar machen. Die Beschäftigung mit den baulichen Zeugnissen der NS-Gewaltherrschaft bleibt bis heute essenziell.
In der anschließenden Diskussion, moderiert von Prof. Andreas Emminger, standen zentrale Fragen im Fokus: Welche architektonischen Elemente drücken demokratische Werte aus? Was lässt sich daraus für die heutige Planung lernen – im Siedlungsmaßstab ebenso wie beim repräsentativen Einzelbau?
Hervorgehoben wurde das Potenzial früher Migrantensiedlungen für Integration und Inklusion sowie die Bedeutung von Transparenz und Gleichheit als demokratische Leitmotive.
Ein reger Austausch mit dem Publikum entstand darüber, wo demokratische Räume im eigenen Umfeld wahrgenommen werden. Abschließend formulierten die Referentinnen persönliche Lehren aus den demokratischen Bauideen des 20. Jahrhunderts für die Architektur von morgen.
